Polnische Leiharbeitnehmer brauchen für eine Beschäftigung in Deutschland derzeit in der Regel noch eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit. Die entsprechende gesetzliche Regelung (§ 284 SGB III) verstößt nach Ansicht des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen nicht gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Europarechts. Lediglich für einen beschränkten Kreis von Beschäftigungen, die das Gesetz aus besonderen Gründen von der Genehmigungspflicht ausnimmt (§ 9 der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer) – etwa leitende Angestellte, von Lieferanten entsandte Monteure, Forscher, Studenten, Sportler, Journalisten – gilt diese Beschränkung nicht.
Geklagt hatte eine Firma aus Polen, die in Deutschland polnische Arbeitnehmer verleihen wollte. Die Bundesagentur für Arbeit hatte ihr die erforderliche Erlaubnis nur unter der Auflage erteilt, in den Personalakten für ihre polnischen Arbeitskräfte eine Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur nachzuweisen, solange die Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer europarechtlich eingeschränkt sei. Andernfalls sei eine Verletzung der Vorschriften über die Ausländerbeschäftigung zu befürchten. Die polnische Leiharbeitsfirma hatte versucht, diese Auflage im Wege des Eilrechtsschutzes außer Kraft zu setzen. Sie berief sich dabei auf die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit. Dieses Argument ließen die Essener Richter – wie vor ihnen erstinstanzlich bereits das Sozialgericht Düsseldorf1 – nicht gelten:
Deutschland habe in rechtmäßiger Weise von der europarechtlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Arbeitnehmer erst ab dem 1. Mai 2011 in Kraft treten zu lassen. Zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei die von der Bundesregierung zur Begründung genannte drohende schwerwiegende Störung des Arbeitsmarkts beziehungsweise eine entsprechende Gefahr durch unkontrollierte Arbeitnehmerfreizügigkeit plausibel, insbesondere im Bereich der Langzeitarbeitslosen und der gering Qualifizierten sowie im Osten Deutschlands. Auf die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit könne sich die Leiharbeitsfirma nicht berufen, weil dieses europäische Grundrecht im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung durch die Einschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer überlagert werde. Andernfalls drohten die einschränkenden Regelungen zu Arbeitnehmerfreizügigkeit unterlaufen zu werden. Lediglich einen kleinen Teil der Auflage beanstandeten die Essener Richter, weil sie zu Unrecht auch für den beschränkten Kreis von Beschäftigten galt, die schon heute ohne Genehmigung in Deutschland arbeiten dürfen.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2010 – L 1 AL 158/10 B ER
SG Düsseldorf – S 13 AL 388/10 ER↩