Wir sitzen in seinem Garten im Westen von Berlin, auf dem kleinen Holztisch liegt das druckfrische Buch. Noch bevor es erschienen war, gab es Zores. Mit dem Verlag Random House, der es nicht drucken wollte. Mit der SPD, die ihr Mitglied Sarrazin jetzt aber wirklich aus der Partei schmeißen will. „Es wird keinen Ausschluss geben“, sagt der Autor, während es sich sein weiß-schwarzer Kater Leo auf seinem Schoß gemütlich macht, „weil mein Buch dafür keine Grundlage liefert.“ Aufrecht sitzt er da, fast statisch. „Sitz grade, Junge!“ Diesen Rat seiner preußischen Mutter hat Sarrazin verinnerlicht. Grade sitzen, vor allem, wenn Seitenhiebe kommen. Die deutschen Medien haben Sarrazins Buch, das eine schonungsose Abrechnung mit dem archaischen, autoritären System des Islam ist, mehrheitlich verrissen.Krone“: Herr Sarrazin, Ihr neues Buch ist da, es hat fünfhundert Seiten. Wie lange haben Sie daran gearbeitet?Thilo Sarrazin: Mit Unterbrechungen knapp ein Jahr. Die Hauptarbeit war gar nicht mal das Schreiben - ich bin ja kein Romanschreiber, der dasitzt, an den Nägeln kaut und dann fällt ihm der Plot ein. Die Hauptarbeit war das Zusammentragen der Fakten. Alleine das Lesen des Koran kostete mich einen Monat.Thilo Sarrazin im Interview mit Conny Bischofberger (Bild: Alexander Bischofberger)Wie war das, den Koran zu lesenSehr erhellend, denn wer liest schon den Koran? Es liest ja auch keiner von uns die Bibel, wenn er ehrlich ist. Man liest immer Auszüge und ist also abhängig von dem, der diese Auszüge aufbereitet hat.Aber Sie haben ihn ganz gelesen?Ja, von der ersten bis zur letzten Zeile, in der Übersetzung von Rudi Paret, die vielen als die beste Übersetzung im deutschen Sprachraum gilt. Ich verstehe jetzt, was der Koran sagen will, und damit verstehe ich auch, wie viele Muslime denken.Warum dieser provokante Titel: „Feindliche Übernahme“?Der Arbeitstitel des Buches war „Die Gefahr des Islam“. Das war halt ein bisschen abstrakt. Und ich bin ja nun Ökonom und der Begriff der feindlichen Übernahme ist mir klar. Aber im Endeffekt ist es das, was Muslime prägt. Sie prägen mit ihrer Mentalität ein System, und wenn sie gleichzeitig an Zahl zunehmen, dann werden sie irgendwann die Gesellschaft übernehmen. Dahinter steckt kein Masterplan, das ist schlicht und einfach Mathematik.Und warum „feindlich“?Weil die Muslime mehrheitlich den Werten und der Grundeinstellung unserer Gesellschaft letztlich ablehnend gegenüberstehen, was ich ihnen ja auch nicht verwehren kann. Sie sind letztlich ohne Verständnis für unsere Gesellschaft.Aber doch nicht alle. Scheren Sie da nicht 1,8 Milliarden Menschen über einen Kamm?Wenn ich von Gruppen von Menschen spreche, haben diese Aussagen auch dann ihre Berechtigung, wenn sie nicht auf jeden einzelnen zutreffen. Tatsache ist, dass 50 bis 90 Prozent aller Muslime, die in Deutschland, Österreich und Europa leben, letztlich einer wörtlichen Interpretation des Islam anhängen und in Wahrheit Fundamentalisten sind. Dieser Anteil nimmt leider bei der jüngeren Generation zu. Mich hat am meisten der Punkt interessiert: Was ist denn am Islam, was die Muslime in so besonderer Weise prägt?Auf die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, sagten Ihr ehemaligeBundespräsident, die Kanzlerin und viele andere Spitzenpolitiker „Ja“. Was sagen Sie?Genausogut könnte man fragen, ob die Sachertorte zu Österreich gehört. Das ist doch eine blöde Feststellung. Also wer bei uns lebt und Aufenthaltsrecht hat und vielleicht sogar Staatsbürger ist, gehört natürlich in diese Gesellschaft, ob er sich als Teil ihrer fühlt, ist eine andere Frage. Die meisten Muslime, die in Deutschland und Europa leben, sehen sich nicht als Teil des westlichen Abendlandes. Und darum geht es: Ob sie zu uns gehören wollen, nicht ob wir sie zu uns zählen.Ihr Buch liest sich wie ein strenger Maßnahmenkatalog für Muslime. Sie fordern - so wie Orbán und andere rechte Politiker - einen Migrationsstopp, ein Kopftuchverbot an Schulen, den Abbau falscher Anreize in der Sozialpolitik und vieles mehr.Aber ein Migrationsstop bezieht sich ja nicht auf Menschen, die bereits legal im Land sind. Wer bei uns Aufenthaltsrecht hat, hat alle Rechte. Aber genauso haben wir das souveräne Recht - jeder einzelne Staat, wie auch Europa insgesamt - zu bestimmen, wer zu uns kommt und wer bei uns leben darf. Dieses elementare Recht sollten wir uns nicht nehmen lassen.Kritiker nennen Sarrazins Buch „Brandbeschleuniger“. (Bild: Alexander Bischofberger)Kritiker nennen Sarrazins Buch „Brandbeschleuniger“.(Bild: Alexander Bischofberger)Aber wenn Menschen zu uns fliehen, muss Europa sie laut Genfer Flüchtlingskonvention aufnehmen, sonst handeln wir gegen europäisches Recht.Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde 1951 für europäische Flüchtlinge in Europa erlassen und erst Mitte der Sechzigerjahre - ohne Not! - ausgedehnt auf die ganze Welt. Man könnte sie jederzeit auch wieder ändern.Sie sind für eine Änderung der Flüchtlingskonvention?Ja, natürlich. Aber unabhängig davon ist es auch viel vernünftiger, dass man Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat unterbringt. Also: Afrikanische Flüchtlinge gehören nach Afrika, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten gehören in den Nahen Osten und afghanische Flüchtlinge gehören nach Afghanistan oder Pakistan. Dann leben sie in einer ähnlichen Kultur, was ja für sie auch ein Vorteil ist.Warum genau sollen keine Muslime mehr nach Europa kommen?Weil in zwei, drei Generationen aufgrund der hohen Geburtenrate von Muslimen, die bei uns leben, und wenn man den Trend der Einwanderung hochrechnet, die Mehrheit der Menschen in Österreich, Deutschland und Europa muslimisch sein wird. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir die Einwanderung stoppen. Wer gegen einen Stopp ist, nimmt das billigend in Kauf.Herr Sarrazin, Sie haben 2010 auch geschrieben, dass Deutschland sich abschafft. Es geht Deutschland aber vergleichsweise immer noch ganz gut. Also soll man auf Ihre Prognosen hören?Ich mache keine Prognosen, ich zeige Trends. Die Projektionen, die ich in meinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ beschrieben habe, wurden bereits durch die Wirklichkeit überholt. Wir haben bereits jetzt in Europa Städte, in denen mehr muslimische Kinder geboren werden als andere. Pew Research schätzt, dass im Jahr 2050 in Schweden mehr Kinder als Muslime geboren werden als andere Kinder. Wie es in weiten Teilen von Wien ist, können Sie selber am besten beurteilen. Wir haben Inseln, die sich mehr und mehr ausdehnen, mit der Zeit zusammenwachsen und dann haben wir geänderte Mehrheitsverhältnisse in unseren Ländern. In Berlin sind vielleicht nur acht bis zehn Prozent aller Menschen muslimischen Glaubens, aber bei den Schulkindern sind es bereits 15 bis 20 Prozent, und diese Tendenz haben wir überall. Insofern ist auch der Zeitrahmen, den ich nenne - zwei bis drei Generationen - sehr vorsichtig bemessen. Es könnten auch eineinhalb bis zwei sein.Ist dieser Trend, wie Sie es nennen, noch zu stoppen?Ich glaube, dass man niemals in der Geschichte etwas voraussagen kann. Es hätte auch bei Ihnen niemand geglaubt, dass Kurz mit seinen jungen Jahren Bundeskanzler werden würde. Man hätte 1988 auch niemals gedacht, dass im Jahr 1989 die Mauer fällt und dass im Jahr 1991 die Sowjetunion untergeht. Insofern: Ich beschreibe Trends und Tendenzen, und natürlich hoffe ich, dass mein Buch auch ein Weckruf ist, der dazu beiträgt, auf Dinge, die ich als gefährlich empfinde, einen anderen Blick zu gewinnen.Wenn nichts vorhersehbar ist, könnte es dann nicht auch sein, dass der Islam sich reformiert?Ja, das erinnert mich an die Reformkommunisten, die haben immer gehofft, dass sich der Kommunismus ändert. Es kam dann doch nicht dazu, darum brach das System irgendwann zusammen. Die islamische Welt hat so viele ungelöste wirtschaftliche und soziale Probleme, es kann gut sein, dass irgendwann die Menschen sagen: „Also irgendwas muss doch mit unserer Religion nicht in Ordnung sein, wenn so viel bei uns schiefgeht.“ Aber ich weiß das nicht. Wir können es vor allen Dingen auch nicht von außen beeinflussen.Was werfen Sie dem Islam konkret vor?Fünf Punkte. Erstens: Muslime glauben, es ist dem Islam bestimmt, über die ganze Welt zu herrschen. Zweitens: Muslime halten sich deshalb für etwas Besseres, weil sie den richtigen Glauben haben, darum schauen sie auf alle Ungläubigen herab. Drittens: Weil sie meinen, dass sie der richtige Glaube vor der übrigen Welt auszeichnet, sind sie wenig bildungsorientiert, weshalb der Islam zur Rückständigkeit neigt. Und viertens: Im absoluten Zentrum der weltlichen Bestimmung für diese Religion steht die abhängige Stellung und die mindere Rolle der Frau, darum dreht sich ja alles um Sex und um Kleiderfragen und ums Kopftuch und so weiter - und das führt dazu, dass die Frauen in der islamischen Welt durchschnittlich wenig gebildet sind und früh Kinder bekommen. Und fünftens: Der Islam ist langfristig demographisch überlegen. Das ist die eigentliche Sprengkraft dieser Religion.Füttern Sie mit all Ihren Aussagen nicht wieder die rechten Parteien? Die AfD ist in Deutschland mittlerweile auf 13 bis 17 Prozent angestiegen.Nun, als ich das erste Mal mit meinen Analysen an die Öffentlichkeit trat, gab es noch keine AfD. Sie wurde 2013 gegründet und wurde stark mit der Willkommenskultur im Jahr 2015