Angst auf der Autobahn
Am 29. Juli wurde ein Fahrer verurteilt, weil er durch sein aggressives Fahrverhalten den Tod einer 21-jährigen Autofahrerin und ihrer Tochter verursacht hat. Was kann man tun, wenn man selbst von einem Raser bedrängt wird? Wir haben einen Experten gefragt.
Raser, Drängler und Dauerlinksfahrer bringen die Gemüter auf Deutschlands Autobahnen zum Kochen. Durch zu dichtes Auffahren, ständiges Blinken und Lichthupenattacken räumen sie sich den Weg frei - ohne Rücksicht auf Verluste. Da verwundert es kaum, dass zu den häufigsten Unfallursachen schnelles Fahren und zu geringer Sicherheitsabstand gehört. Gerade Frauen fühlen sich durch dieses Fehlverhalten bedroht, geraten unter Stress, der schnell zu einem Unfall führen kann.
Die Verkehrsrowdys sind zu 95 Prozent männlich. Warum ist das so? Und wie verhält man sich, wenn man mit einem Raser konfrontiert wird? Wir haben den Verkehrspsychologen Rüdiger Born gefragt.
Brigitte.de: Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich von einem Raser bedrängt werde?
Rüdiger Born: Wenn der Hintermann zu dicht auffährt oder ohne Unterbrechung Lichthupe gibt, ist es besser, auf die Nebenspur auszuweichen. Wenn dies nicht möglich ist, auf jeden Fall Ruhe bewahren, denn in den meisten Fällen von Nötigung auf der Autobahn berühren Drängler ihre "Opfer" nicht. Sie fahren allerdings so dicht auf, dass die Betroffenen plötzlich erschrecken, wie es auch im aktuellen Autobahnraserprozess bei der jungen Frau der Fall war. Deswegen kann ich nur raten, am besten den Rückspiegel wegzuklappen und den Raser so lange zu ignorieren, bis man ausweichen kann.
Brigitte.de: Ist es sinnvoll, sich das Kennzeichen zu notieren und den Fahrer anzuzeigen?
Rüdiger Born: Grundsätzlich würde ich jedem zu einer Anzeige raten, denn die Polizei nimmt diese ernst und verfolgt sie auch. Es ist allerdings schwierig, einem Drängler Nötigung nachzuweisen. Der beschuldigte Autofahrer kann einfach behaupten, dass er zur fraglichen Zeit ganz woanders war. Das Fahrzeug lässt sich zwar anhand des Kennzeichens identifizieren, der Fahrzeughalter jedoch nicht so eindeutig.
Brigitte.de: Wie kann ich als Beifahrerin reagieren, wenn ich neben einem Drängler sitze?
Rüdiger Born: Für richtiges Verhalten in solchen Situationen gibt es leider kein Geheimrezept. Die Beifahrerin sollte dem Fahrer aber deutlich vermitteln, dass sie dieses Fahrverhalten ablehnt und direkt sagen: "Nein, da fahr ich nicht mehr mit" - auch, um sich selbst zu schützen.
Brigitte.de: Warum rasen und drängeln eigentlich mehr Männer als Frauen?
Rüdiger Born: Ich würde das Rasen nicht nur auf geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede zurückführen. Männer arbeiten öfters in höheren Positionen und können sich somit ein größeres und PS-stärkeres Auto leisten als Frauen. Auch Leistungs- und Termindruck sind für zu schnelles Fahren verantwortlich. Außerdem legen Männer im Schnitt mehr Kilometer zurück als Frauen, halten sich für gute Fahrer und fühlen sich deswegen vor allem auf Schnellstraßen sicher.
Brigitte.de: Stimmt es dann gar nicht, dass Frauen insgesamt defensiver fahren?
Rüdiger Born: Doch, Frauen fahren defensiver als Männer. Allerdings pflegen auch immer mehr Frauen einen schnelleren Fahrstil, da sie heutzutage zunehmend unter den gleichen Bedingungen arbeiten wie Männer. Dadurch werden sie finanziell unabhängiger und streben auch mobile Unabhängigkeit an. Trotzdem besitzen die meisten Fahrerinnen immer noch einen Kleinwagen und verursachen eher Auffahrunfälle als schwere Unfälle.